Erst die Arbeit, dann das Vergnügen?

Kennen Sie das Gefühl, niemals fertig zu werden, permanent noch unerledigte Dinge im Hintergrund zu wissen, die endlich bearbeitet werden sollten?

Ich glaube, diese Arbeitsflut ist ein Phänomen unserer Zeit, nicht nur ein individuelles Problem. Wir sind alle gefordert, damit umzugehen. Viele Klienten, die in meine Praxis kommen, klagen über eine erdrückende Arbeitsbelastung. Trotz hoher Motivation und Leistungsbereitschaft, haben sie das Gefühl, der Fülle an Aufgaben, die jeden Tag auf sie einstürmt, nicht mehr Herr zu werden. Ein Gefühl von permanenter Erschöpfung macht sich in ihnen breit und raubt ihnen oft den Schlaf.

Unsere Medien sind Tag und Nacht in Aktion, wir sind weltweit vernetzt. Zu jedem Zeitpunkt ist irgend jemand auf der Welt gerade wach, arbeitet und ist fähig mit uns zu kommunizieren und Inhalte zu produzieren. Auf allen Kanälen fluten uns Nachrichten unserer sozialen Kontakte, die beantwortet werden wollen.

Das führt zu einer Informationsflut, die uns auf der einen Seite bereichert, uns aber auch mitunter massiv unter Druck setzt. Unser Schlaf- Wach Rhythmus leidet, wenn wir rund um die Uhr Emails beantworten sollen. Es gibt keine natürlichen Pausen mehr. Öffnungszeiten werden immer mehr gelockert, selbst unsere Sonntage, früher eine kollektive Auszeit, werden immer mehr in Frage gestellt.

Noch vor zwanzig Jahren war es leichter, Dinge zu bearbeiten und auch abzuschließen, der Computer hatte noch nicht diese Vormachtstellung. Man hatte meist dieses gute, befriedigende Gefühl, Aufgaben angemessen erledigen zu können. Mittlerweile hat sich die Arbeitswelt mehr der Taktung des  Computers angepasst, statt umgekehrt. Wir werden ständig mit neuen Infos abgelenkt, so dass es für viele von uns immer schwieriger wird, fokussiert an einer Sache dran zu bleiben und Aufgaben befriedigend abzuschließen.

Doch was noch nicht abgeschlossen ist, so die Gehirnforscher, arbeitet unterschwellig in unserem Gehirn weiter. Eigentlich eine sinnvolle Funktion unseres Gehirns, die aber immer mehr zur Belastung werden kann, wenn zu vieles unerledigt bleibt.

Auch unser Privat- und Arbeitsleben fließen immer mehr ineinander. In vielen von uns ist oft noch die unbewusste Maxime verankert- erst, wenn die Arbeit getan ist, darfst du eine Pause machen.  Doch in Zeiten von Corona und Homeoffice gibt es keine klare Trennung mehr zwischen Arbeit und Freizeit, ein Grund, warum sich immer mehr Arbeitnehmer wieder eine Rückkehr zur ihre Arbeitsstelle wünschen.

Auch die Selbständigkeit, oft als Freiheit gepriesen, kann zur Falle werden. Wir tendieren dazu, uns selbst auszubeuten. Nicht umsonst kursiert der Spruch: Selbstständig zu sein bedeutet, es selbst und ständig zu tun.

Wie schaffen wir es unter diesen Umständen entspannt zu bleiben? Wie schaffen wir es, wenn immer mit mehr Arbeit zu tun ist, als wir bewältigen können? Wenn das geforderte Tagespensum das Maß übersteigt, was wir wegarbeiten können?

Oft reagieren wir dann mit Schuldgefühlen und Versagensängsten.  In solchen Situationen entsteht in uns sehr leicht das Gefühl „ich bin unfähig alles zu bewältigen, ich muss den Druck auf mich vergrößern, ich muss noch leistungsfähiger werden bzw. ich muss die Dinge noch besser organisieren.“  Dabei löst dieses viele „Müssen“ ungeheure Druckgefühle in uns aus. Um ihnen zu begegnen, gehen wir automatisch in einen Stressmodus: Wir ziehen in den Kampf und negieren dadurch unsere körperlichen Bedürfnisse. Wir wollen es um jeden Preis schaffen.

Was darauf folgt, kennen wir nur allzu gut: Rückenschmerzen, verspannte Schultern, unsere Augen werden müde durch das statische Starren auf den Bildschirm. Auch nach Feierabend sind wir nicht wirklich entspannt, sondern haben immer noch unterschwellig in uns ein Programm laufen, das uns daran erinnert, was alles noch unerledigt ist, was noch getan werden sollte und setzen uns damit selbst  permanent weiter unter Druck.

Wir können diese Entwicklung nicht grundlegend verändern, die Arbeitswelt und Medienwelt ist so, wie sie ist. Im Gegenteil, oft haben wir das Gefühl unser Zeitdruck wird immer noch größer. Doch statt zu resignieren, können wir etwas an unserer inneren Haltung verändern. Ein gewisse Distanz zu entwickeln, uns selbst wieder in den Mittelpunkt zu stellen, eigene Prioritäten zu setzen und in eine gute Selbstfürsorge zu gehen, sind wichtige Schritte, um gesund zu bleiben. Doch das verbieten wir uns oft unbewusst und bleiben dadurch in unserem Hamsterrad gefangen. Gerade körperliche Symptome verschwinden jedoch oft erst dann, wenn wir uns ihrer tiefen Ursachen bewusst werden und sie mit Neurobiologischem Stressmanagement auflösen. Dann können wir ihnen wirksam begegnen.

Pausen zu machen, Wasser zu trinken, die Augen in die Ferne schweifen zu lassen, sich zu schütteln, oder kleine Gänge durch das Büro einzubauen, sind kein Müßiggang, sondern konkrete Strategien zur Stressbewältigung. Generell gilt es, bewusst auf die Bedürfnisse unseres Körper zu achten und tagsüber immer wieder Momente der Entspannung einzuplanen, um unsere Gesundheit  und damit unsere Leistungsfähigkeit zu erhalten.

Doch vielen von uns gelingt dies nicht, trotz besseren Wissens. Zu stark sind unsere unbewussten Boykottprogramme. Um sie wirksam aufzulösen, müssen wir uns u.a. mit unseren unbewussten Antreibern und Überzeugungen auseinandersetzen. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ war ein Satz, den ich seit meiner Kindheit stark verinnerlicht habe.  Diese Sätze haben wir schon von unseren Eltern oder Großeltern geerbt und leben nach ihnen, obwohl sie nur noch bedingt zu unserer modernen Arbeitswelt passen. Wenn wir sie aufdecken und durch passendere ersetzen, nimmt unsere Motivation und unsere Lebensfreude wieder zu. Wir fühlen uns nicht mehr als Rädchen im Getriebe, als Opfer der Umstände, sondern sind fähig, die Prozesse selbst zu steuern und zu gestalten.

Wenn es uns gelingt, unsere Ansprüche an uns zu reduzieren, steigt unsere Selbstachtung und wir suchen weniger die Bestätigung im Äußeren. Jeder Vorgesetzte ist daran interessiert, möglichst viel, in möglichst kurzer Zeit zu erreichen. Deshalb werden wir von ihm nur selten die Anerkennung bekommen, die wir uns wünschen. Wenn wir jedoch unsere automatischen Muster auflösen und unsere Arbeit selbst mehr wertschätzen, uns auf unsere Stärken und Erfolge fokussieren und auf das, was uns täglich gut gelingt, sind wir von dieser Bestätigung unabhängiger. Wenn wir darüber hinaus das, was uns Freude macht, noch mehr in unsere Arbeit  integrieren, werden wir motivierter und leistungsfähiger. “ Freude an der Arbeit lässt das Werk trefflich geraten“ sagte schon Aristoteles.

Und last, but not least- kommen wir diesen unbewussten Mustern auf die Spur, gelingt es uns eher stimmige Grenzen zu setzen – den Ansprüchen von außen, vor allem aber auch unseren eigenen Ansprüchen an uns selbst.

Ihr Quick-Win-Serviceteil

Oft befinden wir uns zum wiederholten Mal in den gleichen Situationen, anstatt das zu erleben, was wir uns wünschen. 

Wenn Sie dieses Thema anspricht und Sie sich damit noch weiter auseinandersetzen möchten, stellen Sie sich doch mal folgende Fragen:

  • In welchen Situationen setzen mich meine unbewussten Antreiber besonders unter Druck?
  • Welche Einstellungen zu Arbeit und Freizeit habe ich schon von meinen Eltern übernommen?
  • Stelle ich mir immer öfter die Frage, ob meine Arbeit noch zu mir passt?
  • Was sind meine Prioritäten in der Arbeit, in Bezug auf mein Leben?
  • Inwieweit lebe ich nach ihnen?
  • Habe ich Freizeitaktivitäten, die mir einen guten Ausgleich zur täglichen Arbeit bieten?
  • Was verkneife ich mir, obwohl ich weiß, es täte mir gut?
  • Plane ich genügend Pausen ein, um mich zu regenerieren?
  • Plagen mich zahlreiche unspezifische, körperliche Symptome?
  • Welche unbewussten Muster hindern mich daran, gut für mich und mein Wohlbefinden zu sorgen?
  • Ist es mir in der Vergangenheit schon einmal gelungen mich so zu verhalten, wie ich es mir wünsche?
  • Wie hat sich das angefühlt?
  • Gehe ich motiviert und freudig an meine Arbeit?
  • Kann ich mich an diese Qualität erinnern und sie spüren?
  • Bin ich oft enttäuscht, wütend oder frustriert und fühle mich als Opfer der Situation?
  • Was hindert mich noch, mich von diesen unbewussten Blockaden endgültig zu befreien?
  • Was würde sich dadurch in meinem Leben verbessern?