Egoismus oder gute Selbstfürsorge?

„Ich fühle mich dabei immer so egoistisch“ sagte neulich eine Klientin zu mir, als wir an dem Thema gute Selbstfürsorge arbeiteten. „Ich kann mich doch nicht nur um meine Bedürfnisse kümmern.“

Theoretisch wissen wir, wie wichtig es ist, uns gut um uns zu kümmern.  Erst die Liebe zu uns selbst macht uns fähig, auch anderen liebevoll zu begegnen und doch beschleichen uns oft Zweifel, ob das wirklich in Ordnung ist. Zu sehr fürchten wir, als selbstsüchtig zu gelten, blind für die Bedürfnisse anderer. 

Doch, wenn Mitmenschen uns als egoistisch abstempeln oder wir sie, fordern wir im Grunde nur, dass andere sich um unsere Bedürfnisse kümmern und geben die Verantwortung für unser Wohlergehen ab.

Letzten Endes wissen wir alle, dass es bedingungslose Liebe auf Erden nur sehr selten gibt und sind, aufgrund unserer Erfahrungen, alle unbewusst darauf programmiert, die Bedürfnisse der anderen zu erfüllen, um Liebe zu bekommen. Im Kern purer Egoismus, doch per se nicht verwerflich. 

Schon während der Schwangerschaft lernt unser Instinkt, dass es sicherer ist, sich anzupassen. Das garantiert das eigene Überleben. Viele Menschen gewöhnen sich schon im embryonalen Stadium ein Verhalten an, das mehr auf das Außen gerichtet ist, als auf sie selbst. Unser Organismus versucht sich auf diese Weise bestmöglich mit mütterlichen Stresssituationen zu arrangieren. 

Im Säuglingsalter reagieren Babys stark auf die Mimik der Mutter. Sie können noch nicht zwischen sich selbst und ihrem Gegenüber unterscheiden. Lächelt die Mutter, geht es auch dem Baby gut. Auf diese Weise lernen wir schon sehr früh, andere zufriedenzustellen, um auch unser eigenes Wohlergehen sicherzustellen.

Erst im Trotzalter entwickeln wir unseren Willen und lernen Grenzen zu setzen. Viele erleben jedoch gerade in dieser wichtigen Entwicklungsphase Bestrafung durch Liebesentzug und haben dadurch oft lebenslange Schwierigkeiten Nein zu sagen.

Mit ca. 4 Jahren beginnen wir, andere dazu „zu verführen“, uns zu lieben. Als Mädchen buhlen wir um unseren Vater, als Junge um unsere Mutter. Diesem Muster bleiben jene Menschen verhaftet, die sich nur dann als liebenswert betrachten, wenn sie auf andere verführerisch wirken. Viele versuchen mit Leistung oder Statussymbolen ihre Attraktivität zu erhöhen. Geschicktes Marketing rührt an diese tiefen Gefühle und suggeriert gerade uns Frauen nur dann begehrenswert bzw. liebenswert zu sein, wenn wir bestimmten Schönheitskriterien entsprechen. Ganze Industriezweige leben von diesen oft unbewussten Bedürfnissen.

Haben wir echte Traumata erlebt oder sind sie genetisch in unseren Zellen gespeichert, verfallen wir, meist unbewusst, in das Schutzmuster, uns Situationen automatisch zu unterwerfen. Wir geraten dadurch oft in eine Opferrolle und glauben unfähig zu sein, unser Leben zu gestalten.

All diese tiefen, unbewussten Prägungen tauchen regelmäßig in meinen Sitzungen zu unterschiedlichsten Problemen auf. Da ist der Mann, dem es schwerfällt gute Grenzen zu setzen, die Frau, die glaubt außer ihren äußeren Reizen nicht viel  bieten zu können. Wir alle sehen uns  oft genug „als Opfer der Umstände“ und finden uns mit Situationen ab, die wir eigentlich verändern wollen.

Gut für uns zu sorgen und unser Leben aktiv zu gestalten bedeutet nicht, die Bedürfnisse anderer zu negieren, sondern vielmehr aus einer inneren Stimmigkeit heraus zu handeln. Wenn ich mir selbst erlaube, meine Bedürfnisse zu erfüllen, kann ich meinem Wohlgefühl eine hohe Priorität einräumen und selbstverantwortlich agieren. „Ich stelle mich jetzt in den Mittelpunkt meines Lebens“ sagte neulich eine Klientin zu mir, nachdem wir diese alten Muster bei ihr aufgelöst hatten. Ein sehr guter Vorsatz mit einem wunderbaren Nebeneffekt: Mit meinem Beispiel, kann ich andere ermutigen, sich ebenfalls besser um sich selbst zu kümmern und für ihre Bedürfnisse aktiv zu werden.

Ihr Quick-Win-Serviceteil

Oft befinden wir uns zum wiederholten Mal in den gleichen Situationen, anstatt das zu erleben, was wir uns wünschen. 

Wenn Sie dieses Thema anspricht und Sie sich damit noch weiter auseinandersetzen möchten, stellen Sie sich doch mal folgende Fragen:

  • In welchen Situationen kann ich nur schwer für mich sorgen?
  • Welche Einstellungen habe ich schon von meinen Eltern übernommen?
  • Stelle ich mir öfters die Frage, ob ich zu egoistisch bin?
  • Was sind meine Bedürfnisse, kenne ich sie überhaupt?
  • Inwieweit lebe ich nach ihnen?
  • Was verkneife ich mir, obwohl ich weiß, es täte mir gut?
  • Plagen mich oft Schuldgefühle oder ein schlechtes Gewissen?
  • Gelingt es mir  nein zu sagen und mich abgrenzen?
  • Plagen mich zahlreiche unspezifische, körperliche Symptome?
  • Welche unbewussten Muster hindern mich daran, gut für mich und mein Wohlbefinden zu sorgen?
  • Passe ich mich meist an, anstatt mich für meine Bedürfnisse einzusetzen?
  • Ist es mir in der Vergangenheit schon einmal gelungen mich so zu verhalten, wie ich es mir wünsche?
  • Wie hat sich das angefühlt?
  • Kann ich mich an diese Qualität erinnern und sie spüren?
  • Bin ich oft enttäuscht, wütend oder frustriert und fühle mich als Opfer der Situation?
  • Was hindert mich noch, mich von diesen unbewussten Blockaden endgültig zu befreien?
  • Was würde sich dadurch in meinem Leben verbessern?